Digitalisierung, Klimawandel und Weiterbildung als Themen beim Neujahrsempfang
Waldkraiburg (rob). Sicherheit für die Menschen in Arbeit gewährleisten in den Zeiten von Klimawandel und Digitalisierung ist eine aktuelle Gewerkschaftsaufgabe. Das sehr konkrete Pflegeproblem steht ebenfalls auf der Agenda – das haben Redner und Gäste beim Neujahrsempfang des Deutschen Gewerkschaftsbundes der Regionen Mühldorf und Altötting deutlich gemacht am Donnerstag im Hotel Central. Etwa 50 Vertreter aus Gewerkschaften, Politik und Arbeitsvermittlung waren der DGB-Einladung gefolgt.
Der DGB mit seinen acht Einzelgewerkschaften will „Gute Arbeit gestalten“ – so auch das Thema beim Neujahrsempfang. Im Blick dabei sind vor allem die Herausforderungen durch die Digitalisierung und den Klimawandel in einem globalen Markt. Redner betonten die Notwendigkeit zu engerer Zusammenarbeit bei der Lösungsentwicklung, einer Zusammenarbeit, die über durch Arbeitnehmer, Arbeitgeber, Gewerkschaften oder Parteien bestimmte Grenzen hinaus reichen muss.
Der Mühldorfer DGB-Kreisvorsitzende Richard Fischer hatte eine gute Nachricht parat: die in den Pandemie-Krisenzeiten notwendig gewordenen Arbeitsregelungen habe der DGB erfolgreich mitgestaltet. „Das hat geklappt“, so Fischer. Beim Problem Fachkräftemangel nannte Fischer ausdrücklich die Lage in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. Fischers Aufforderung an alle Verantwortlichen: „Da hilft kein Jammern. Wir müssen das anpacken.“
Waldkraiburgs Bürgermeister Robert Pötzsch bestätigte aus Sicht der Verwaltung die Situation: „Der Fachkräftemangel trifft uns mit voller Breitseite.“
Gerd Hammerl, stellvertretender Landesbezirksleiter IG BCE Bayern, über eine aktuelle Entwicklung: Zum einen schreite der digitale Wandel schneller voran als bisherige Transformationen wie beispielsweise die erste industrielle Revolution. Im Bereich der sogenannten Arbeit 4.0 mit einem hohen Grad an Flexibilisierung und neuen Arbeitsformen folge andererseits ein „hoher Druck auf Schutzgesetze“.
Hammerl sagte, die Betriebsräte müssten mehr über die Digitalisierung und ihre Auswirkungen geschult werden, um letztlich die Umsetzung in Betrieben besser begleiten zu können. So mache Digitalisierung einer Umfrage der IG BCE zufolge das Arbeitsleben nicht immer leichter sondern führe mitunter zu Mehrbelastung. „Wir brauchen mehr Mitbestimmung bei der Digitalisierung“, so Hammerl.
Mitarbeiter klagten über eine die letzten Jahre unverändert hohe Belastung auch durch die Digitalisierung, dadurch höheren Zeitdruck und zu vielen Aufgaben. Die Arbeitsverdichtung und das Multitasking müssten heruntergefahren werden. Jede fünfte Person leide an einem „Nicht-Mehr-Abschalten-Können“ außerhalb der eigentlichen Arbeitszeit.
Zwar würden Hammerl zufolge etwa 50 Prozent der Mitarbeiter Digitalisierung verstehen – aber eben die andere Hälfte weniger Verständnis aufbringen. Mitarbeiter müssten mehr einbezogen werden – diese hätten auch Interesse an Weiterbildung in diesem Bereich, die aber auch angeboten werden müsse.
Unter anderem forderte Hammerl die Digitalisierung mehr im Arbeitsschutz und bei Arbeitserleichterung einzusetzen. Hammerls Hinweis: Blue-Collar-Arbeiter würden die Digitalisierung mittlerweile anders bewerten als White-Collar-Angestellte.
Hammerl sagte, es müsse mit Blick auf die Arbeit der Zukunft ein klares „Ja“ zum Industriestandort Deutschland geben, die Transformation der Arbeit dürfe das Land dabei nicht spalten, die Digitalisierung müsse von allen Seiten begleitet und vor allem Mitarbeiterinnen im gewerblichen Bereich dürften nicht abgehängt werden.
Jutta Müller, Vorsitzende der Geschäftsführung der Arbeitsagentur Traunstein, schilderte für die Digitalisierung von einer hohen Substituierbarkeit von bis zu 50 Prozent im Bereich der Arbeitshelfer. Allerdings seien auch zunehmend sowohl Fachkräfte als auch Spezialisten betroffen.
Zwar wachse die Bevölkerung im Landkreis Mühldorf – allerdings vor allem im Bereich der Älteren. „Uns gehen schon die Mütter ab für die Kinder, die wir brauchen“, so Müller. Eine Folge sind Müller zufolge „nennenswerte“ Qualifikationsmaßnahmen.
Ein Hinweis der Traunsteiner Arbeitsagentur-Geschäftsführerin: zur Verfügung stehende 24 Millionen Euro für Weiterbildungsmaßnahmen seien im vergangenen Jahr nur teilweise genutzt worden. Jetzt stünden wieder 21 Millionen Euro bereit. Müller forderte in den Betrieben eine Allianz zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern auch in Zusammenarbeit mit der Arbeitsagentur. Weiterbildung sei ein „Schlüssel für sichere Beschäftigung“. Etwaige Ressentiments dürften einem gemeinsamen Tun nicht im Wege stehen.
Arbeitnehmervertreterinnen der Kliniken appellierten schnellstmöglich die Arbeitsbedingungen der Pflegekräfte zu verbessern. Es fehle vor allem aufgrund der belastenden Arbeit Personal.
Jasmin Geltinger, DGB-Kreisvorsitzende Altötting, sagte, die Fachkräftequote im Pflegebereich sei immer schwerer zu erreichen. Dies liege mitunter auch an den Zugangsvoraussetzungen.
Kurt Dobrauer, Betriebsratsvorsitzender DB Cargo in München, sagte, das Unternehmen suche mittlerweile aktiv im Ausland nach Mitarbeitern.
Agentur-Geschäftsführerin Müller hält einen Zwang Ausbildungsplätze zu melden nicht für zielführend. Arbeitgeber sollten sich authentisch verhalten, den Sinn der Arbeit vermitteln, mobile Arbeit wo es möglich ist anbieten und vor allem auch das tun, was angekündigt werde.
DGB Regionsvorsitzender Günter Zellner forderte mehr Kooperation von Wirtschaft und Politik auch angesichts des für 2025 angekündigten Rückzuges der Chemiefirma Dyneon samt 600 Arbeitsplätzen vom Standort Gendorf. Hier würden bislang etwa 50 Prozent des europäischen Polymer-Bedarfs produziert – ein Milliardengeschäft das jetzt wegbreche.
Bilder vom Neuhjahrsempfang am Donnerstag im Hotel Central: